Überblick

Weltweit setzt sich das Bündnis La Via Campesina für Ernährungssouveränität ein, damit die Vision von einer Landwirtschaft, die alle Menschen ernähren kann, Realität wird. Und zwar ökologisch und nachhaltig und so, dass Landwirt*innen davon leben können. Auch in Hessen werden Initiativen aktiv, um selbst entscheiden zu können, wo ihre Lebensmittel herkommen und wie sie produziert werden. Sie entscheiden sie sich für das Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi), wie auf dem Falkenhof Strothe bei Korbach. In Städten wie Frankfurt gründen Bürger*innen Ernährungsräte, um wieder Einfluss auf das Ernährungssystem zu bekommen und es umgestalten zu können. 

Probleme des Weltagrarhandels

Synthetische Dünger, der Einsatz von Pestiziden und die Ausweitung von Monokulturen führen zum Verlust der Artenvielfalt und dem Auslaugen von Böden. Durch Unfälle mit gefährlichen Unkrautvernichtungsmitteln wird die Gesundheit von Anwender*innen zerstört. In Ländern des Globalen Südens arbeiten zudem Landwirt*innen und Arbeiter*innen häufig vollkommen ungeschützt mit Pestiziden oder sind ihnen schutzlos ausgesetzt. Patente auf Tiere, Pflanzen und Saatgutkontrolle stärken die Macht einzelner Unternehmen und treiben Bauern und Bäuerinnen in die Abhängigkeit. Wenn Hersteller von Saatgut dieses so verändern, dass die Samen der daraus entstehenden Pflanzen nicht zum weiteren Anbau verwendet werden können, müssen Landwirt(e)*innen jedes Jahr neues Saatgut kaufen und sind dadurch abhängig vom Unternehmen, das den Preis relativ frei bestimmen kann. 

Hinzu kommt die Machtkonzentration auf wenige weltweit agierende Firmen. In den vergangenen Jahren kam es zur Vereinigung großer Unternehmen, die im Bereich der Düngemittelproduktion, der Herstellung von Pestiziden sowie von Saatgut führend sind. Mittlerweile sind mit Bayer-Monsanto, Dow-DuPont und ChemChina-Syngenta nur noch drei Unternehmen für 61% des weltweiten Saatgutmarktes und 71% des weltweiten Pestizidmarktes verantwortlich. Agrarkonzerne nehmen gezielt Einfluss auf die Politik. Seit langem sind sie auch Partner in Programmen der Entwicklungszusammenarbeit. Dabei darf sich nicht das wiederholen, was bereits im Rückblick in den 1960er und 1970er Jahren mit der damaligen „Grünen Revolution“ der Landwirtschaft gescheitert ist. Die Einführung von Hochleistungssorten und moderner Maschinen zur Intensivierung der Landwirtschaft haben nicht wie versprochen zum Ende des Hungers geführt. Es werden nicht zu wenig Nahrungsmittel produziert, sondern sie sind weltweit zu ungleich verteilt und zu wenige Menschen haben aufgrund vorherrschender Armut die Möglichkeit, sich ausreichend mit Nahrung zu versorgen.

Landgrabbing: Landraub durch Staaten und internationale Unternehmen

Über die Eigentumsverhältnisse von Grund und Boden herrscht in vielen Ländern des Globalen Südens Uneinigkeit zwischen Menschen, die in einem bestimmten Gebiet leben und ihr Land teils seit Generationen bewirtschaften und international tätigen Unternehmen, die das besagte Land nutzen wollen. Im Bereich der Landwirtschaft spricht man von Landnahme, Landraub oder Landgrabbing, wenn ausländische Investoren Agrarflächen in großem Umfang für ihrer Zwecke kaufen oder pachten und die ursprünglich dort lebenden Menschen gewaltsam enteignet und umgesiedelt werden. Eine einheitliche Definition der Begriffe gibt es nicht. Brot für die Welt spricht beim Begriff Landgrabbing von einem Phänomen der Landvergabe an Investoren ohne Berücksichtigung menschenrechtlicher Standards und Verfahren. Die auf dem Land lebenden Menschen verfügen meist nicht über verbriefte Rechte, über Besitzurkunden oder andere Dokumente, die sie als Eigentümer ausweisen. Nicht selten haben diese Unternehmen Flächen vom Staat erworben, der die Besitz- und Gewohnheitsrechte der Bevölkerung nicht anerkennt. Traditionelle Formen von Eigentumsverhältnissen, die über Jahrhunderte in einem Land anerkannt waren, werden in Frage gestellt und rechtliche Grauzonen bewusst ausgenutzt. Akteure sind dabei nicht nur multinationale Unternehmen. Auch Staaten auf der Suche nach Ackerflächen oder Banken auf der Suche nach Investitionsmöglichkeiten für ihre Fonds sind vertreten. Der Weltagrarbericht hält zum Gesamtphänomen fest: Häufig könnte man bei Landgrabbing von einer Landreform von oben sprechen oder der Etablierung neuer, privatwirtschaftlicher Kolonialverhältnisse. Landraub führt weltweit zu gewaltsamen Konflikten, Vertreibungen und zwingt Menschen zur Flucht. 

Worum geht es beim Thema „Ernährungssouveränität“?

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Ernährungssouveränität

Die Ernährungssouveränität ist ein wichtiger Faktor auf dem Weg zum Guten Leben für Alle. Sie hat ihren Ursprung im Globalen Süden: La Via Campesina, eine internationale Kleinbäuer*innenorganisation hat den Begriff 1996 als Antwort auf die vom Welternährungsgipfel der Welternährungsorganisation FAO (Food and Agriculture Organization) der UN formulierte passiv ausgerichtete Ernährungssicherheit geprägt.  

(Abb: Vertreter*innen von La Via Campesina auf einer "Wir haben es satt!"-Demonstration in Berlin. Foto: Selene Magnolia/www.wir-haben-es-satt.de) 

Ernährungssouveränität hingegen betont ein Menschenrecht auf Nahrung und beinhaltet die Unterstützung von kleinbäuerlicher Landwirtschaft, von Selbstversorgung und den Vorzug von regionalen und lokal produzierten Lebensmitteln. Sie ist kein Patentrezept, sondern ein sich weiterentwickelndes Konzept, das die Demokratisierung der Lebensmittelproduktion und den gemeinschaftlichen Erhalt natürlicher Ressourcen anstrebt. Damit geht sie weit über die Ernährungssicherheit hinaus, die als Ziel 2 der 17 SDGs, der Nachhaltigkeitszieler der UN bis 2030 weltweit erreicht werden soll. Ein Ansatz für eine zukunftsfähige und gerechte Ernährung weltweit ist die Agrarökologie. Häufig wird sie mit ökologischem Landbau gleichgesetzt, was jedoch zu kurz greift. Neben dem ökologischen Landbau, der Agroforstwirtschaft und der Permakultur umfasst sie als ganzheitliches Konzept auch wirtschaftliche, soziale und politische Aspekte. Durch das solidarisches Wirtschaften verschiedener Akteure miteinander (z.B. Landwirte, weiterverarbeitende Betriebe, Händler) und den Austausch untereinander werden Einnahmen gerechter verteilt und die politische Teilhabe an Veränderungsprozessen gestärkt. Es gibt auch Kritik am Konzept der Ernährungssouveränität. Sie stellt die Ansätze als nationalistische, protektionistische Abschottung von globalen Märkten dar und wirft sozialistischen Ländern vor, das Scheitern des Ansatzes in ihren Ländern zu verschweigen.