Überblick

Der Welthandel ist nach wie vor ungerecht. Während die wirtschaftlichen Erträge in den Ländern des globalen Südens meist gering sind, profitieren Unternehmen aus dem globalen Norden von den ausbeuterischen Bedingungen der weltweiten Lieferketten. „Handel und Wirtschaft müssen den Menschen dienen, nicht umgekehrt“ lautet die Antwort der Fair-Handels-Bewegung auf diese nach wie vor existierende Ungerechtigkeit. Mit politischen Kampagnen machen die Akteur*innen auf Missstände aufmerksam. Zum Beispiel am Weltladentag oder mit Veranstaltungen während der Fairen Woche. 

Koloniale Vergangenheit und Welthandel

Warum ist unser Welthandelssystem ungerecht? Warum gibt es Länder, die wirtschaftlich schwach sind und in denen der messbare Lebensstandard sehr niedrig ist, und andere, die wirtschaftlich sehr stark sind und großen Einfluss auf das aktuelle System ausüben können?

Unser heutiges Wirtschaftssystem hat viel mit dem Kolonialismus der vergangenen Jahrhunderte zu tun. Denn die früheren Herrschaftsverhältnisse setzen sich bis heute fort. Vereinzelt schon früher, besonders aber seit dem 16. Jahrhundert begannen europäische Länder, Gebiete im globalen Süden zu kolonialisieren. Das bedeutet, dass sie ihre wirtschaftliche und politische Macht in diesen Regionen und Ländern einsetzten und die vollständige Kontrolle über Gebiet und Menschen übernahmen. Die kolonialisierten Länder wurden im deutschen Kontext als „Schutzgebiete“ bezeichnet, ein verharmlosender und falscher Begriff. Denn die Bevölkerung, die sich nicht selten gegen die Kolonialmächte zur Wehr setzte, wurde brutal unterdrückt und bekriegt. In manchen Fällen, wie bei Herero und Nama in Namibia, endete dies im Völkermord. 


Kein wirtschaftlicher Erfolg ohne Sklavenhandel

Sklavenhandel gibt es bereits seit mehr als 2000 Jahren in vielen verschiedenen Gebieten der Welt. Mit der Erschließung und Eroberung der sogenannten „Neuen Welt“ erreichte der Sklavenhandel jedoch ein Ausmaß und eine Brutalität, die ihresgleichen suchen. Mehr noch: Sklaverei als rein wirtschaftliches Unternehmen ist ein Phänomen der Globalisierung. Als Resultat der Nutzung der neu eroberten überseeischen Gebiete sah der transatlantische Sklavenhandel vom 17. bis zum 19. Jahrhundert folgendermaßen aus: In einem Dreieckshandel wurden Waffen, Alkohol oder auch Stoffe aus Europa nach Westafrika exportiert und dort an örtliche Sklavenhändler im Tausch gegen Menschen übergeben. Diese Menschen wurden wiederum nach Amerika gebracht und dort an Plantagenbesitzer und Unternehmer verkauft. Die Schiffe wurden mit in Amerika an-/oder abgebauten Rohstoffen und Waren wie Gold und Silber, Zucker, Kaffee oder Baumwolle und Tabak oder auch Rum beladen und zurück nach Europa gebracht. Viele der verkauften Menschen starben bereits bei der langen Überfahrt. 

Spanier, Portugiesen, Niederländer und Briten waren im Sklavenhandel besonders aktiv. Während die Anzahl bis 1600 nur wenige hunderttausend Menschen umfasste, stieg sie im 17. Jahrhundert stark an. Dies hing mit der Ausweitung des Plantagenanbaus in der Karibik aber auch in Nordamerika zusammen. Er war nur durch den Einsatz von Millionen verschleppter Menschen als Arbeitssklaven möglich. Im Zuge dieses Systems wurden die zuvor ausschließlich für Herrscher zugänglichen Luxusprodukte für einen immer größeren Teil europäischer Gesellschaften erschwinglich. Mit den Europäern kamen auch ihre Krankheitserreger in die kolonisierten Gebiete, wo sie zum Teil verheerende Epidemien auslösten.

Die meisten versklavten Menschen wurden im 18. Jahrhundert deportiert. Da afrikanische Sklavenhändler, die die Menschen an die Europäer verkauften, meist junge und gesunde Frauen und Männer versklavten, blieben ältere und auf Hilfe angewiesene Menschen zurück, was über Jahrhunderte einen großen Einfluss auf die Zusammensetzung und auch auf die wirtschaftliche Entwicklung westafrikanischer Gesellschaften hatte. Im Schnitt lebte ein versklavter Mensch auf einer amerikanischen Plantage etwa 10 Jahre. Insgesamt wurden zwischen 1500 und 1900 ca. 12 Millionen Menschen auf dem afrikanischen Kontinent versklavt. Die Befreiung von der Sklaverei und das Aufbegehren gegen die kolonialen Mächte begann auf Haiti, wo Toussaint Louverture Ende des 18. Jahrhunderts zum Anführer einer Befreiungsbewegung wurde und als Gouverneur maßgeblich die Unabhängigkeit Haitis 1804 vorantrieb.


Deutsche Beteiligung - Deutsche Kolonien - Deutsche Verantwortung

Bei den deutschen Kolonien handelte es sich um Beherrschungskolonien. Bei dieser Form der Kolonien ging es um die wirtschaftliche Ausbeutung von Ressourcen wie Gold und anderen Edelmetallen oder aber um die Abschöpfung von Steuerleistung und die Schaffung von Absatzmärkten. Im Gegensatz dazu stehen die sogenannten Siedlungskolonien, die durch die massenhafte Einwanderung von vor allem Europäern in das jeweilige Land geprägt ist. Beispiele hierfür sind die spanischen Kolonien Süd- und Mittelamerikas. 

Wenn es um die Relativierung deutscher Verantwortung geht, wird häufig ins Feld geführt, dass das Deutsche Reich (1871-1918) ja erst sehr spät Kolonialmacht wurde, dies auch nicht lange blieb und relativ „erfolglos“ war. Richtig ist, dass im Alten Reich auch deutsche Händler von Anfang an am Überseehandel mit seinen menschenverachtenden Praktiken beteiligt waren. Kapitäne, Seeleute, Reeder, Verkäufer von Kolonialwaren kamen hinzu. Herrscher deutscher Länder versuchten, in diesem lukrativen Geschäft mitzumischen. Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg und Herzog von Preußen (1620-1688), der sogenannte Große Kurfürst, bemühte sich um den Erwerb von Kolonien und war in den Sklavenhandel verwickelt. Häufig wird die deutsche Kolonialzeit auch relativiert, indem die deutschen Aktivitäten in Vergleich zu anderen Kolonialmächten wie Großbritannien und Frankreich gesetzt werden. Doch das deutsche Kolonialreich umfasste immerhin rund eine Million Quadratkilometer (Zum Vergleich: die BRD hat eine Fläche von 357.588 km²) und 12 Millionen Menschen und verfügte damit über das drittgrößte Territorium und die fünftgrößte kolonialisierte Bevölkerung.



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Kritik am aktuellen Welthandelssystem

Die Machtstrukturen, die seit dem Kolonialismus den Welthandel prägen, existieren bis heute fort und bestimmen den unserer Meinung nach ungerechten globalisierten Welthandel. Seit den 1990er Jahren brachten neue Möglichkeiten wie eine sekundenschnelle, weltweite Kommunikation große Veränderungen und eine Dynamik der Globalisierung mit sich. Getaktete Finanzmärkte, weltweit agierende Unternehmen, die Öffnung der Märkte und die Senkung von Zöllen sind die Folge. Heute bestimmen meist Abkommen zwischen zwei, manchmal auch zwischen einem Verbund von Ländern die internationalen Handelsregeln. Bisher haben diese Maßnahmen aber entgegen der Versprechen noch nicht dazu beigetragen, die Lebensbedingungen weltweit gerechter zu gestalten oder Armut wirksam zu bekämpfen. Im Gegenteil: Menschenunwürdige Arbeitsbedingungen, undurchsichtige und undemokratische Entscheidungsfindungen, Landraub und Zwangsumsiedlungen, Zerstörung von Lebensräumen und Ökosystemen durch Monokulturen, Abholzungen, Verunreinigung von Trinkwasser und Verschmutzung der Meere sind an der Tagesordnung.

Deutsche und europäische Unternehmen beziehen ihre Waren oder auch Rohstoffe aus der gesamten Welt. Viele Produkte reisen bildlich gesprochen um die Welt, bis sie aus allen Einzelteilen zusammengesetzt in unsere Läden kommen. Ein Beispiel dafür sind Kleidungsstücke wie Jeans oder T-Shirts. Dafür betreiben Unternehmen Produktionsstätten in anderen Ländern oder beauftragen wiederum andere Unternehmen die Produkte in Fabriken und Industrieanlagen für sie herzustellen. Häufig sind die Arbeitsbedingungen katastrophal, weil weder die Regierungen der entsprechenden Produktionsländer noch die Unternehmen die Verantwortung für die Kontrolle der Einhaltung elementarster Standards übernehmen. Arbeiter*innen befinden sich nicht selten in sklavenähnlichen Zuständen und dass auch in Europa. Katastrophen wie der Brand und Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesh 2013 mit über 1000 Toten oder der Bruch des Staudamms in Brumadinho in Brasilien 2019 mit 272 Toten stehen für die immer wieder stattfindenden Tragödien, für die häufig niemand die Verantwortung übernehmen will.  In der Coronapandemie kam es zu Lohndiebstahl durch zahlreiche Modeunternehmen, wie Adidas, Nike oder H&M. Manche Endprodukte, wie zum Beispiel Schokolade und Pralinen, werden erst in den Ländern des globalen Nordens hergestellt und nur die Rohstoffe oder Zwischenprodukte stammen aus den Erzeugerländern. Somit entsteht auch ein großer Teil der Wertschöpfung erst im globalen Norden, denn das Produkt wird immer teurer, je weiter es verarbeitet wird. Um Rohstoffe wie Metalle oder Holz abzubauen oder für die Anlage und die Bewirtschaftung von Soja- oder Palmölplantagen finden häufig massive und nicht wieder rückgängig zu machende Eingriffe in die jeweiligen Ökosysteme statt. Menschen in Ländern des globalen Südens wird durch Landraub die Lebensgrundlage entzogen.


Konsum und Ressourcenverbrauch

In Deutschland sind normalerweise alle Waren jederzeit verfügbar: Lebensmittel, Kleidung, Möbel, Autos oder Smartphones. Obst und Gemüse sind zu fast jeder Jahreszeit in unseren Supermärkten zu kaufen. Würde nur das angeboten, was draußen gerade wächst, sähe es in den Auslagen ganz schön leer aus. Keine frischen Tomaten von Oktober bis Juni, knackige Äpfel nur im Herbst, wer will das schon? Die Lebenszeit von Gegenständen, die wir täglich benutzen, hat sich stark verkürzt. Selbst Sofas oder Töpfe, also Gegenstände, die viele Menschen früher nur einmal im Leben kauften oder geschenkt bekamen, werden häufiger ausgetauscht, weil sie nicht mehr dem Zeitgeschmack entsprechen oder es mittlerweile andere Exemplare mit besseren Eigenschaften oder Funktionen gibt. Besonders deutlich wird diese Beschleunigung bei Kleidungsstücken, die massenhaft angeboten und verkauft werden, aber kaum eine Saison überstehen. Diese Form des Konsums und Verbrauchs unserer Gesellschaft, die manche Menschen auch als „Wegwerfgesellschaft“ bezeichnen, funktioniert aber nur auf Kosten der Mehrheit der Weltbevölkerung, die meist in den Ländern des globalen Südens lebt. Hier ist Massenkonsum nach Vorbild des globalen Nordens ein Lebensstil, den sich nur wenige Menschen leisten können. Die Mehrheit der Weltbevölkerung muss mit sehr viel weniger Ressourcen auskommen als wir. 2000qm Ackerfläche stünde jedem Menschen für die eigene Lebensmittelversorgung auf der Welt zur Verfügung, wenn wir die weltweit vorhandene Ackerfläche durch die Anzahl der Menschen teilen würden. Allein in der EU verbrauchen die Menschen 2400qm pro Person und das ist nur ein Durchschnittswert. Denn Menschen in Ungarn oder Bulgarien verbrauchen sehr viel weniger Ackerfläche als Menschen in Deutschland. Menschen im globalen Norden verbrauchen gemessen am Durchschnitt der Weltbevölkerung ungleich mehr Ressourcen wie Wasser und Energie.

Worum geht es beim Thema „Welthandel“?

- Überblick 

- Koloniale Vergangenheit und Welthandel

- Mitmachen und informieren

- Kritik am aktuellen Welthandelssystem

- Akteure und Aktionen im Einsatz für einen gerechteren Handel

Akteure und Aktionen für eine gerechtere Welt

Seit dem Ende der 1960er Jahre existiert die Fair-Handels-Bewegung in Europa und Deutschland als ein Ansatz für einen anderen Welthandel. Seitdem kann sie auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. Neben den Hilfswerken der Kirchen und Gewerkschaften setzen sich viele zivilgesellschaftliche Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen mit unterschiedlichen Schwerpunkten für eine Veränderung hin zu einer gerechteren Welt ein. Sie betonen die Verantwortung der wirtschaftlich starken Länder für das aktuell ungerechte System und dringen auf Lösungen für die verheerenden Auswirkungen global agierender Unternehmen für Menschen und Umwelt. Organisationen wie WEED oder Werkstatt Ökonomie kämpfen für eine demokratische Gestaltung der Globalisierung und für eine soziale, ökologische und wirtschaftlich gerechte, nachhaltige Welt. Im Bereich des Fairen Handels leisten das Forum Fairer Handelder Weltladen-Dachverband und entwicklungspolitische Netzwerke wie das EPN Hessen viel im Bereich der Vernetzung, der politischen Kampagnen und der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit. Zwei jährlich stattfindende Aktionen sind dabei für die deutsche Fair-Handels-Bewegung zentral.



Weltladentag

Jährlich am zweiten Samstag im Mai begehen die Weltläden den Weltladentag, um deutschlandweit auf sich und die Themen des Fairen Handels aufmerksam zu machen. Er ist der politische Aktionstag der Weltläden und findet am gleichen Tag statt wie der internationale Tag des Fairen Handels (World Fair Trade Day). Immer steht eine politische Kampagne im Mittelpunkt wie in diesem Jahr die Kampagne Mächtig fair!, die für ein wirksames EU-Lieferkettengesetzes wirbt. Sie zeigt auf, welche positiven Auswirkungen für Menschenrechte, Arbeitnehmer*innen und Umweltschutz weltweit geltende und einheitliche Regeln für Unternehmen haben könnten. Zusammen mit der Initiative Lieferkettengesetz wird auch in diesem Jahr wieder auf unfaire Handelspraktiken entlang der globalen Lieferketten hingewiesen, diesmal am Beispiel der Produktion von Textilien. Die von den teilnehmenden Weltläden umgesetzten Aktionen sind vielfältig und kreativ: Ausstellungen unter freiem Himmel, aufgemalte Tatorte in Fußgängerzonen oder Aktionen am Straßenrand für vorbeifahrende Mitmenschen bereichern die Unterschriftenaktionen und bieten vielfältige Anknüpfungsmöglichkeiten, um mit Passant*innen und Kund*innen ins Gespräch zu kommen.




Faire Woche

Bereits seit über 20 Jahren findet die Faire Woche in Deutschland statt. Immer in den letzten beiden Septemberwochen warten zahlreiche Aktionen zum Fairen Handel auf die Besucher*innen. Eingeladen und selbst organisiert von Weltläden, Fairtrade-Towns oder zivilgesellschaftlichen Organisationen kommen so jährlich über 2000 große und kleine Events zusammen. Das sind zum Beispiel Verkostungen fairer Produkte in Weltläden oder Filmvorstellungen zu Themen der Nord-/Süd-Problematik. Produzent*innen aus Ländern des Globalen Südens reisen durch Deutschland und nehmen an Podiumsdiskussionen teil oder halten Vorträge. Veranstaltungen können auch Online-Escapespiele oder faire Radtouren sein.

Veranstaltet vom Forum Fairer Handel, dem Weltladen-Dachverband und Fairtrade Deutschland steht die Faire Woche unter einem jährlich wechselnden Thema. Im Jahr 2023 geht es um Klimagerechtigkeit.






Globale Mittelhessen

Als regionales und politisches Filmfestival setzt sich die Globale Mittelhessen für weltweite Gerechtigkeit ein. Ausgewählte Dokumentarfilme werden an verschiedensten Spielorten gezeigt, vom großen Kinosaal bis zum Café mit Wohnzimmeratmosphäre. Die Themen der Filme machen auf globale Krisen aufmerksam, zeigen Aktivist*innen in ihrem Kampf für soziale Gerechtigkeit und das Streben nach Veränderung gesellschaftlicher Missstände.

Besucher*innen haben in anschließenden Diskussionen und Filmgesprächen die Möglichkeit, mit Filmschaffenden, Aktivist*innen oder Expert*innen in den Austausch zu treten. Die Globale Mittelhessen ist ein Mitmach-Festival, das von der ehrenamtlichen Unterstützung bei Filmauswahl, Organisation und Durchführung lebt. Mitmachen erwünscht!



Links zum Thema „Welthandel“

Initiativen: 

weiterführende Links:

Materialien: